I. ADVENT
Evangelium nach Matthäus (24,37-44)
Advent – das ist jedes Jahr die Chance, neu aufmerksam zu werden für das, was wichtig und wertvoll in unserem Leben ist. Unser Leben geht einfach weiter - tagein, tagaus, von Jahr zu Jahr. Man hat Arbeit und andere Verpflichtungen, geht zur Schule, zum Betrieb oder ins Büro, geht einkaufen, macht Sport oder pflegt seine Hobbys, Freunde kommen zu Besuch und ab und zu gibt es Urlaub. Alles hat so seinen selbstverständlichen Lauf. Man lebt so in den Tag hinein.
Darüber hinaus haben wir keine Zeit! Jetzt nicht! Später, wenn die Kinder größer sind – wenn das Haus bezahlt ist – wenn ich fest im Job bin – wenn ich in der Pension bin … Mit anderen Worten: später – oder nie?
Ein Beispiel kann uns helfen: Ein junger Mann von 35 Jahren erfährt ziemlich unerwartet von seiner unheilbaren Krankheit. Mit gut einem Jahr Lebenszeit dürfe er noch rechnen. – Dieser Mann, der mitten im Leben steht, der eine Familie hat und einen Beruf ausübt, für ihn bricht die ganze Welt zusammen. Für ihn wird in diesem Augenblick alles anders – und völlig neue Fragen tauchen an seinem Horizont auf. Auch das ist ein Weltuntergang, einer, der sich so oder ähnlich täglich irgendwo auf dieser Erde ereignet.
Advent ist die Chance, munter zu werden, wachsam zu werden für das, was unserem Leben und Miteinander und letztlich unserer Welt, Sinn gibt. Wir müssen - in unserem Alltagstrott - ab und zu wachgerüttelt werden.
Das macht Jesus mit seinen heutigen Worten. In einer apokalyptischen Sprache will er uns nicht Angst machen, sondern aufrütteln zum selbstbewussten Leben. Unser Leben ist begrenzt, dauert nur eine Weile, kann plötzlich abgebrochen werden und dann kann sich herausstellen: Wir haben es vertan, wir haben es versäumt, uns um das zu kümmern, worauf es wirklich ankommt, nämlich unsere Beziehung zu Jesus und zu Gott. Denn nur sie ist entscheidend für unsere endgültige Zukunft, die jetzt schon begonnen hat, aber über unseren Tod hinaus weitergeht. Mein jetziges Leben ist richtunggebend für meine Zukunft.
Halte dich bereit, sei wachsam und vorbereitet: einfach so, wo du bist - und wie du bist. Halte dich bereit: Nimm dir Zeit für dich, für Jesus, für Gott. Er will zu dir kommen.
Mache dich in der Adventzeit auf den Weg, Gott in deinem Leben wieder neu zu suchen und zu entdecken. Was ist noch wichtig, wenn ich einmal „von Angesicht zu Angesicht“ vor Gott stehe? Dann habe ich keine Ausreden mehr, kann nicht mehr auf „später“ verschieben. Dann muss ich, ohne Um- und Auswege, endgültig und ohne Vorbehalte, meine Liebe zu ihm bekennen. Werde ich dazu fähig sein, wenn ich nicht jetzt schon damit anfange?
Ich soll dieser stillen Sehnsucht nach Gott in mir Raum geben, sie nähren. Ich kann jetzt schon jeden Tag mit Jesus leben, wenn ich mich immer frage: Was würde Jesus an meiner Stelle jetzt tun oder sagen? Dann ist er jetzt schon nahe, als Wegbegleiter, als Freund, mitten in meinem Alltag, in meinen menschlichen Begegnungen, in meinen Aufgaben, in meiner Arbeit. Dann bin ich zu jeder Zeit bereit, vor Gott zu erscheinen! Ich kann vertrauensvoll meiner endgültigen Begegnung mit Gott entgegengehen. Ich bin bereit.
Was auch immer in meinem Leben passiert, wo auch immer Welten untergehen, wie schrecklich Katastrophen auch sein mögen – Gottes Liebe zu uns, zu mir, ist stärker als der Tod und am Ende steht seine Zusage, sein Versprechen vom ewigen Leben, bei und mit ihm. Das ist die Botschaft dieses Evangeliums.
Und da fallen mir zwei Zitate aus der Bibel ein: „Jetzt sind wir Kinder Gottes“, lesen wir im ersten Johannesbrief, „aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1 Joh. 3,2). Und die Worte eines Psalms: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ (Ps. 42,2f.). Wenn diese Sehnsucht nach Gott in mir brennt, dann wird in mir Advent.